„Kritische Masse – Ein Parlamentsroman“

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Interview in der Cannstatter Zeitung | 09. 10. 2021
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„… Warum haben Sie die Landespolitik letztlich hinter sich gelassen?

Weil sich in diesem Milieu oft Menschen bewegen, die meinem Wahrheits- und Ehrbegriff widerstreben. Viel zu viele Politikerinnen und Politiker wählen im Ernstfall den persönlichen Vorteil, nicht das Gemeinwohl. Das aus nächster Nähe mitanzusehen, ist nicht nur unschön, sondern auch der Gesundheit abträglich.

[…]

Davidson wirkt verbittert, geradezu desillusioniert, waren Sie das als ehemaliger Sprecher der FDP-Fraktion auch?

Davidson ist enttäuscht, nicht verbittert. Sein Glaube, Politikerinnen und Politiker fühlten sich dem Gemeinwohl verpflichtet, findet rasch eine herbe Enttäuschung. Was mich betrifft, so bin ich glücklich, nicht länger Teil dieser hermetisch abgezirkelten Welt zu sein. Eher gründe ich eine Partei, als Mitglied einer Partei zu werden, die sich in geistlosen Floskeln verliert.

Hand aufs Herz: wie viel von Ihnen steckt in David Davidson?

Genau so viel, wie notwendig war, um dem Roman einen idealistischen Protagonisten zu geben. Wie Davidson vertraue ich auf humanistische Werte, die in der Politik zwar oft beschworen, doch kaum gelebt werden.

[…]

Wo liegt aus Ihrer Sicht das größte Problem?

Alle „Entscheider“ gebärden sich staatstragend, profilieren sich auf Kosten der Konkurrenz und geben vor, „ihre Bürgerinnen und Bürger“ zu kennen. Präzise Fragen werden nur vage beantwortet, Niederlagen zu Erfolgen stilisiert. Jeder taktiert und versucht im Feilschen um Ministerien, Einfluss und Macht, seine Pfründe zu sichern. Politische Werte und Zielsetzungen werden bei Koalitionsgesprächen Verhandlungsmasse. Die Beliebigkeit triumphiert, wo klare Positionierungen gelten sollten. Die meisten Wahlversprechen sind schon am Wahlabend vergessen und jede Partei über zehn Prozent macht mittlerweile für sich geltend, einen Regierungsauftrag erhalten zu haben. Das sagt doch alles. …“

Zum kompletten Interview bitte hier entlang.
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Buchbesprechung in der Leipziger Internetzeitung | 26. 09. 2021
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„„Wer mehr will, als er braucht, zwingt das Bestehende, jedes gesunde Maß aufzugeben und wild zu suchen. Dann kommt der Krebs und schließlich das metastasierende Elend.“ Den Satz schreibt Michael Haas fast am Ende seines Buches, im Epilog seines „Parlamentsromans“, der eigentlich kein Roman ist, sondern eine kluge, bittere und ernüchternde Abrechnung aus dem Innenleben einer Landtagsfraktion in einer deutschen Provinzhauptstadt, die auch anders als Sternheim heißen könnte. Ein Philologe im Ländle Michael Haas ist eigentlich Philologe, war aber „zuletzt über vier Jahre im Landtag von Baden-Württemberg, davon 14 Monate als Pressesprecher einer Landtagsfraktion“. Monate, die ihn zutiefst verstört haben müssen, ernüchtert und desillusioniert.

[…]

Eigentlich ein sehr schönes Buch, so aus ostdeutscher Provinz betrachtet. Denn es zeigt, dass die glorreichen Sieger im innerdeutschen Dauerwettbewerb auch nur schäbige Knicker und selbstgefällige Provinzler sind. Als hätte sich seit Wolfgang Koeppens Roman „Das Treibhaus“ von 1953 nicht wirklich viel verändert. Hat es wohl auch nicht. Die Vergangenheit versteckt man unter selbstgefälliger Maskerade. Wer sie anspricht, wird zum Nestbeschmutzer. Während in einigen der ach so demokratischen Fraktionen diverse Karrieristen sitzen, die sich selbst dann nicht für Antisemiten halten, wenn sie ihre ganzen blasierten Vorurteile zu Israel und den deutschen Juden herauswürgen, so geschichtsvergessen, dass man diesen armen Davidson eigentlich nur noch schreiend davonlaufen sehen möchte. Aber er hält aus. Nicht bis zum bitteren Ende. Das tut er sich nicht an. Aber der Gedanke, dass er hier völlig in den falschen Film geraten ist und unter Leute, die einen nur erniedrigen, beschämen und krank machen, der ist früh da. Und früh lernt er, lieber die Klappe zu halten und schon gar nicht zu widersprechen. Macht verdirbt den Charakter. Und zwar gründlich. Und unsere Parlamente sind eine Art Luftschiffe, die nicht wirklich viel mit dem Leben der Menschen draußen zu tun haben. Hier gelten andere Regeln und Gesetze. Und dass das so ist, hat mit den Strukturen zu tun, diesen ganz und gar nicht unattraktiven Abgeordnetenposten mit all ihren Vergünstigungen.

[…]

Und auch wenn man anfangs fast geneigt ist, an eine hellblaue Newcomer-Band aus den Abgründen der deutschen Homophobie zu denken, geht es in diesem Buch nicht um diese Partei, sondern eher um das, was solche Radikalisierungen tatsächlich erst möglich und hoffähig macht. Denn sowas kommt immer von sowas. Unsere Demokratie ist nämlich ziemlich kaputt. Oder sollte man besser formulieren: deformiert? Deformiert als System. Denn sie zieht – wie alle Hierarchien, in denen es Prestige, Macht und Geld zu verteilen gibt – genau den Menschentypus an, der diese Drogen sucht und braucht. Und der sich vor allem wohlfühlt in diesem Biotop, in dem Neid, Missgunst, Konkurrenz und Abstiegsangst ihre duftenden Blüten treiben. Gerade in den Parteien, die sich schon seit Jahrzehnten als Postensicherungsmaschinen etabliert haben. Wie das funktioniert, zeigt Haas immer wieder im Detail. Sein Held Davidson ist nicht nur Pressesprecher der VDP-Fraktion und deren herrschsüchtiger Vorsitzenden Tamara Troll geworden. Er wird auch zum verstörten Beobachter, geradezu zwangsläufig. Denn als solcher gehört er zwar zu den Mitarbeiter/-innen der Fraktion. Aber als Mensch zählen sie nicht. Schnell merkt er, dass diese blassen Geschöpfe, die den Laden am Laufen halten, nicht mehr zählen als Dienstboten. Oft nicht einmal als das. Verachtung als politische Phrase Vielleicht auch, weil diese VDP in ihrer radikalen Haltung besonders extrem ist. Denn ihre plakativen Sprüche von Produktivität sind ernst gemeint. So ernst, wie die bekannten Sprüche über die „Leistungsträger“ in unserer Gesellschaft, mit denen niemals die Leute gemeint sind, die am Fließband stehen, Päckchen ausfahren, Brot backen, alte Menschen pflegen oder den Dreck von der Straße kehren.

[…]

Aber genau dieses elitäre Denken hat nun einmal auch dazu geführt, dass unser Land zutiefst gespalten ist, politische Wahlen sich in schäbige Schlammschlachten verwandelt haben und sich Leute als Heilsbringer verkaufen, denen die meisten Wähler völlig egal sind, wenn nicht gar unangenehm und störend.

[…]

Kein Buch für Leute, die gern ihre Illusionen bewahren möchten. Aber eines für all jene, die wissen, wie man sich fühlt, wenn man unter Schnorrern und Aufschneidern gern anständig bleiben möchte. …“

Zur kompletten Besprechung bitte hier entlang.
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Buchvorstellung der „Nimmerland Buchhandlung“
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„Michael Haas, selbst ein gutes Jahr lang Pressesprecher der FDP im schwäbischen Landtag, beschreibt in diesem Buch die Erfahrungen des David Davidson, der mehr oder weniger ungeplant im Landtag landet und dort erleben muss, wie wenig die dort agierenden Politiker und Politikerinnen vom Leben „ihrer“ BürgerInnen wissen und wissen wollen; wie sehr ihr politisches Leben dem Selbstzweck dient und wie gewissenlos hier agiert wird. Das ist desillusionierend und dabei tragikomisch, grotesk und überzeichnet. Hoffen wir mal, dass diese äußerst unterhaltsame Überzeichnung gegenüber der Realität überwiegt!“
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Buchbesprechung in der „Schwäbischen Heimat“
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„… Insider mögen sich auf die Schenkel klopfen und ein Déjà-vu nach dem anderen haben. Aussenstehende dürfen hoffen, dass der Autor mittels Fantasie viel konstruiert hat. Wie auch immer: Er lässt uns teilhaben am politischen Betrieb, legt seine Mechanismen offen, zerpflückt vermeintliche Charaktere, beschreibt Landespressekonferenzen als Veranstaltungen „multimedialen Scheiterns in einer analogen Welt“, die sich zu überleben beginnt. […] Er seziert das Privatleben von Politikern, die mit besorgten Mienen durch die Flure eilen und den Apparat am Laufen halten, der übrigens „nahezu keine Funktion hat, jedoch hunderte von Millionen an Steuergeldern vertilgt, nur um den Betrieb aufrecht zu erhalten.“

[…]

Sein Buch gleicht einer umfassenden Tour d´Horizon, die neben romanhaften Alltagsepisoden auch historische, philosophische, literarische, kunstgeschichtliche und politische Reflexionen beinhaltet. Von den absoluten Herrschern des Barock bis Donals Trump. Von Horaz bis Montaigne. Machiavelli sowieso.

[…]

Zu hoffen bleibt dennoch, dass der Erzähler sehr übertrieben hat. Man möchte über manchen Slapstick lachen, tut es dann aber doch nicht so richtig, weil bei der Ahnung, dass es geschilderte Wahrheit sein könnte, einem das Lachen vergeht. Und: Sorge bereitet, David Davidson könnte untertrieben haben.“

Die komplette Besprechung finden Sie unter diesem Link.
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Buchbesprechung in der Stuttgarter Zeitung (online) | 19. 07. 2021
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„… Die Figuren, die diesen Kasten im Buch bevölkern, sollen kein Abbild des tatsächlichen Stuttgarter Personals sein. Haas will seinen Lesern einen Eindruck von den Typen vermitteln, die es in die Politik ziehe – nach seinem Eindruck „leider nicht die Besten“, sondern oft hab- und geltungssüchtige Egomanen. Gewisse Wesenszüge erinnern freilich an reale Akteure. Die VDPFraktionschefin wird als verbitterte, unfrohe Frau gezeichnet, die nur dann zu großer Form aufläuft, wenn sie ihre gehässigen Tiraden gegen die Regierung abfeuern kann.

Den Ministerpräsidenten namens Gernot Habedank schildert der Roman als einstigen Idealisten, der der Macht wegen längst faule Kompromisse mache. Bei den Menschen komme die Pose des Patriarchen freilich bestens an: „Er begeisterte sie alleine durch seinen Anwesenheit.“ Respekt empfindet „Davidson“ hingegen für den Verkehrsminister, der unbeirrt für eine Welt ohne Smog kämpfe. Doch ausgerechnet ihn muss er für seine VDP immer wieder per Pressemitteilung attackieren, als Feind von Auto und Wohlstand. Als „absurde Marotte“ soll er es brandmarken, dass der Ressortchef der Dienstlimousine oft das Rad vorziehe. „Die VDP verabscheute Fahrradfahrer.“

Vieles wird in dem Roman (Edition Outbird, 14,90 Euro) bis ins Groteske überzeichnet, die Landespolitik insgesamt erscheint als ein Panoptikum schräger Gestalten. Am Ende empfindet es der Erzähler als Befreiung, dieser Welt entkommen zu sein – ganz wie wohl auch Michael Haas. …“

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Rezension eines Lesers
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„Was für ein großartiges Buch! Im Vorwort steht, der Roman sei „lebhaft und ansprechend geschrieben“. Was für eine Untertreibung! Nein. Der Roman ist furios geschrieben, von subtilem Sprachwitz und tollkühner Semantik vorangetrieben und er entfaltet mit ungeheurer Erzählkraft ein Sittengemälde unserer Zeit. Das sollten Mal die lesen, um die es geht: unsere Damen und Herren Politiker! Lange kein so gutes Buch mehr gelesen Und ich lese gerne und viel. Kann es nur wärmstens empfehlen!“
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Rezension eines Lesers
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„Dieser Roman hat mir sehr gefallen: 1. Weil er davon erzählt, wie Politiker/innen sind, aber auch wie sie sein sollten. 2. Weil er die Mechanismen der Macht erklärt. Auf das Menschliche bezogen. Lebensnah. Kompromisslos. Ohne zu belehren. 3. Weil er das leistet, woran die meisten Politiker/innen scheitern. Hinzusehen. Die Realität erfassen. Mit wachen Sinnen. 4. Weil er an Moral und Anstand erinnert. Die repräsentative Demokratie wird nicht durch kritische Romane gefährdet. Unsere Demokratie wird von denen gefährdet, die sie schlecht repräsentieren. Sie müssen sich Kritik gefallen lassen. Wer anderes glaubt, verwechselt Ursache mit Wirkung. Politik muss kritische Betrachter/innen haben. In der Gesellschaft, in der Kultur und Kunst. Sonst wird sie schnell gefährlich. Gegenwart und Vergangenheit kennen dafür Beispiele genug. Üble Beispiele. Auch der Antisemitismus in unserer Gesellschaft kann nicht oft genug verurteilt werden. Der Autor tut das gekonnt, mit großer Sachkunde und ehrlicher Leidenschaft. Literatur ist für die Gesellschaftskritik unersetzlich. Dieser Roman ist dafür ein tolles Beispiel. Er erfüllt diese Aufgabe im besten Sinn. Von der ersten bis zur letzten Zeile. Mag sein, an manchen Stellen überspitzt. Doch immer an der Wahrheit interessiert. Und sprachlich ist er auch ein Erlebnis. Unbedingt lesenswert.“
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Rezension eines Lesers
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„Die Episoden verdichten sich zu einem wenig schmeichelhaften Bild eines Parlamentsraumschiffs. Der Treibstoff ist die Medienberichterstattung, an Bord eine Menge geltungssüchtiger und opportunistischer Gestalten. Die Lust des Autors am Formulieren macht „Kritische Masse“ zum Lesegenuss, amüsant und gruselig zugleich, bei schwindender Hoffnung, dass der Stoff tatsächlich – wie es in der Standardformulierung zu Beginn heißt – „frei erfunden und ohne Bezug zur Realität“ ist. Prophetischer für die landespolitischen Rituale erscheinen die Worte des Ich-Erzählers zu einem Abgeordneten bei einem bürgerlosen Bürgergespräch: „Lass es gut sein. Die Leute sind gegangen.““
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„Kritische Masse – Ein Parlamentsroman“ im Onlinestore: bitte hier entlang.
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